
Das SalzburgerLand hat für Skitourengeher ein reichhaltiges Tourenbuffet angerichtet: Sanfte Almhänge, rassige Steilhänge, große Hochgebirgs-Szenarien – alles da. Im Rauriser Talschluss findet sich für jeden etwas. Willkommen im Pinzgau, willkommen in Kolm Saigurn.
Erst einmal ist Staunen angesagt. Wer den Talkessel von Kolm Saigurn zum ersten Mal betritt, den befällt schnell ein Gefühl der Ergriffenheit: Mächtige Dreitausender – Ritterkopf, Hochahrn, Goldzechkopf, Sonnblick – begrenzen die auf rund 1.600 Meter Seehöhe gelegene Hochebene, aus der die Riesen aus Fels und Eis fast ansatzlos emporwachsen.
Auf den Spuren des Goldes
Wir stehen im Herzen der Goldberggruppe. Der Name der Gebirgsgruppe sagt es schon: Hier war einst das Zentrum des Bergbaus der Erzdiözese Salzburg. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlebte hier der Bergbau seine letzte Blüte: 15 Kilogramm Gold wurden den Bergen pro Jahr abgerungen. Heute ist das alles Geschichte. Die Berge rund um Kolm Saigurn gehören zum Nationalpark Hohe Tauern. Der Talschluss selbst ist autofrei. Wir benötigen vom Parkplatz rund eine halbe Stunde zu Fuß, um zum Ammererhof oder zum Naturfreundehaus zu kommen. Beide Häuser stammen noch aus der Knappenzeit; heute sind sie zu gemütlichen Unterkünften ausgebaut. Wir werden die Nachtruhe auch brauchen, denn morgen soll es auf den 3.106 Meter hohen Sonnblick gehen.
Hochalpine Frühjahrstour
Es geht zeitig los: eine typische Frühjahrsskitour eben, und der Sonnblick ist noch weit: 1.500 Höhenmeter warten. Wer sich dem Sonnblick alpinistisch nicht absolut gewachsen fühlt, der sollte sich einem Bergführer anvertrauen. Die Wirtsleute von Kolm helfen gern. Und wenn Wetter oder Lawinensituation nicht passen? Dann kann man immer noch auf eine leichtere Tour – etwa auf den über 2.500 Meter hohen Kolmkarspitz – ausweichen.
Heute aber passt alles. Schnell noch einen letzten Blick in den Rucksack: Verschüttetensuchgerät? Sonde? Lawinenschaufel? Biwaksack? Rucksackapotheke? Wechselwäsche? Sonnenschutz? Getränk? Und dann kann es losgehen. Gleich hinter dem Naturfreundehaus geht es recht anständig zur Sache und wir steigen über 600 Höhenmeter bis zu einer Ruine aus der Bergbauzeit, dem Radhaus, auf. Hier weitet sich der Blick und es geht flach an einem verfallenen Knappenhaus vorbei zum Goldbergkees. Bedrohlich reißen am unteren Gletscherteil einige Spalten ihre Mäuler auf, zum Glück ist der Durchschlupf aber mit Stangen markiert.
Weltweit einzigartige Wetterwarte
Immer weiter, immer weiter stapfen wir in die glitzernde Eiswüste des Hochgebirges hinauf, bis plötzlich der Gipfel auftaucht: Wo sonst meist ein Kreuz den Bergspitz ziert, findet sich am Sonnblick eine kleine Siedlung: Neben der Alpenvereins-Schutzhütte, dem Zittelhaus, steht mit dem Sonnblick- Observatorium auch ein Hightech-Laborato- rium am Gipfelplateau. Bereits vor rund 130 Jahren wurde am Sonnblick die Wetterwarte errichtet. Bis heute die höchste, ganzjährig besetzte dieser Art. Hier wird das Wetter beobachtet, werden Klimadaten gesammelt, aber auch Umweltprognosen erstellt. Etwa über die Verbreitung radioaktiver Substanzen in der Atmosphäre wie zuletzt nach dem Unglück in Fukushima.
Firnvergnügen im Nationalpark
Für uns Skibergsteiger heißt es hier oben erst einmal durchschnaufen. Vier Stunden Anstieg liegen hinter uns und auch die Höhenlage macht sich bemerkbar. Dafür: Eine grandiose Bergwelt soweit das Auge reicht. Der Blick schweift über den Großglockner zu Hochahrn und Schareck, den beiden mächtigen Nachbarn des Sonnblicks, hinüber zu Dachstein, Hochkönig und zum Steinernen Meer.
Aber dann, ehe die Sonne den Schnee zu sehr aufweicht, Aufbruch! Rasch die Bindung zugedrückt, die Skischuhe auf Abfahrt eingestellt und schon rauscht der Firn unter den zwei Brettern, die hier die Welt bedeuten. Flache Passagen wechseln mit steileren Stücken, ein Genuss für jeden Skifahrer. Zum Schluss wartet noch mit dem Maschinengraben eine langgezogene Schneerinne und bald sind wir an einem mächtigen Wasserfall, dem Barbarafall, vorbei wieder in Kolm Saigurn. Hier serviert uns der Wirt den ersten Radler am Sonnenbankerl vor der Hütte. Was für ein Tag.
Thomas Neuhold gehört zu den bekanntesten Alpinjournalisten Salzburgs. Seit 1997 veröffentlicht er im „Salzburger Fenster“ jede Woche einen neuen Tourentipp.